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Sprache und Kunst: Der Wiederaufbau des Hauses des Seins

Sprache und Kunst: Der Wiederaufbau des Hauses des Seins

Der iranische Regisseur des Dokumentarfilms „White Torture“ lebt als Stipendiat der Martin Roth-Initiative für bedrohte Kunst- und Kulturschaffende im Exil in Deutschland, um der Inhaftierung in seinem Heimatland zu entgehen. Im Rahmen der Woche der Menschenrechte 2024 hat er diese Zeilen veröffentlicht.

Ich bin Filmemacher und habe meine Filme in meiner Muttersprache Farsi gedreht – einer Sprache, die meine Geschichten, Träume und meine Identität geprägt hat. Doch heute stehe ich hier, in Deutschland, als exilierter Filmemacher, ohne die Sprache dieses Landes zu beherrschen.

Heidegger sagte: ‚Die Sprache ist das Haus des Seins.‘ Aber was geschieht, wenn dieses Haus zerstört wird? Wenn man gezwungen ist, seine Heimat zu verlassen und in einer fremden Umgebung ohne Sprache, Wurzeln und Identität neu anzufangen?

Für mich bedeutet das, an einem Ort zu leben, der Sicherheit bietet, aber keine Heimat ist. Sprache ist Schutz, Brücke und Werkzeug. Ohne diese Brücke fühle ich mich isoliert. Und doch bin ich Filmemacher. Mein Werkzeug ist nicht nur Sprache, sondern auch Bilder und Emotionen – die universelle Sprache der Kunst.

Vielleicht hat Heidegger recht: Sprache ist das Haus des Seins. Aber Kunst ist die Fähigkeit, dieses Haus immer wieder neu zu errichten. Und heute stehe ich hier, um Ihnen zu sagen: Auch ohne die Sprache dieses Landes trage ich ein Haus in mir – ein Haus voller Geschichten, Bilder und Wahrheiten, die geteilt werden müssen.

Heute bin ich jedoch gezwungen, aus meinem Schmerz zu schöpfen und daraus Geschichten zu weben. Verzeihen Sie mir, wenn ich Ihnen damit Unbehagen bereite. Vielleicht ist dieser Schmerz kein guter Ausgangspunkt für eine gemeinsame Verbindung. Doch es ist das Einzige, was ich im Moment teilen kann.

In diesem Schmerz liegt vielleicht ein Bruch, aber auch eine Einladung – eine Einladung, die Zerbrechlichkeit und die gemeinsame Menschlichkeit anzuerkennen. Und vielleicht können wir durch das Teilen dieses Schmerzes einen neuen Raum schaffen, einen Raum, in dem nicht nur Leid, sondern auch Hoffnung Platz hat.

Vahid Zarezadeh

3. Dezember 2024, Düsseldorf