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Veranstaltung „Die Zäsur des 07.10.2023: Antisemitismus in Europa: Wie können wir ihn gemeinsam erfolgreich bekämpfen?“

„Die Zäsur des 07.10.2023: Antisemitismus in Europa: Wie können wir ihn gemeinsam erfolgreich bekämpfen?“

Die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Europäischen Union veranstaltete am 09.01.2024 eine Expertendiskussion im Rahmen der neuen Veranstaltungsreihe „NRWinEU:Spotlight“.

Die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Europäischen Union veranstaltete am 09.01.2024 eine Expertendiskussion zum Thema: „Die Zäsur des 07.10.2023: Antisemitismus in Europa: Wie können wir ihn gemeinsam erfolgreich bekämpfen?“ im Rahmen der neuen Veranstaltungsreihe „NRWinEU:Spotlight“. Anstoß für die Diskussion war der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 07.10.2023. 

In seinem Grußwort betonte der Leiter der Landesvertretung Rainer Steffens, dass seit dem 07.10.2023 ein dramatischer Anstieg antisemitischer Vorfälle und Straftaten online und offline weltweit verzeichnet werde. Die Diskussion, wie Europa den Antisemitismus bekämpfen könne, sei daher nötiger denn je zuvor. Im Anschluss unterstrich der Moderator der Diskussion, Dr. Gil Yaron, Leiter des Büros für Nordrhein-Westfalen in Israel, dass der 07.10.2023 nicht nur eine politische, sondern auch eine historische Zäsur für die ältesten Debatten des jüdischen Volkes darstelle: Wo können Juden und Jüdinnen unbesorgt leben? Denn durch den Terrorangriff der Hamas auf Israel sei das Narrativ Israels, seit seiner Gründung ein sicherer Zufluchtsort für Jüdinnen und Juden zu sein, in Frage gestellt worden. 

Katharina von Schnurbein, Beauftragte für die Bekämpfung von Antisemitismus und für die Förderung jüdischen Lebens der Europäischen Kommission, sprach von einer dramatischen Situation für Jüdinnen und Juden in Europa. Der Anstieg antisemitischer Straftaten in den Mitgliedstaaten liege seit dem 07.10.2023 bei 200-800%. Sie betonte, dass das Kernstück der EU-Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus (COM(2021) 615) die Förderung jüdischen Lebens im öffentlichen Raum sei. Jedoch erlebten Jüdinnen und Juden in Europa aktuell das Gegenteil. Ein Leben im öffentlichen Raum sei derzeit nicht möglich. Erschütternd sei, wie schnell es nach dem Terrorangriff durch die Hamas zu einer verzerrten Wahrnehmung von Täter-Opfer gekommen sei. Die Antisemitismusbeauftrage des Landes Nordrhein-Westfalens, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, teilte ihre Eindrücke, die sie seit Oktober 2023 durch Gespräche mit Mitgliedern der jüdischen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen gewonnen habe: Einerseits seien die Gemeindeangehörigen für Deutschlands gezeigte Solidarität für Israel dankbar. Andererseits seien sie wegen des Abstimmungsverhaltens Deutschlands zu der Gaza-Resolution in der UN-Vollversammlung im Oktober 2023 enttäuscht. Sie mahnte an, dass Worte und Taten zusammenpassen müssen. Dies sei für das Vertrauen der Jüdinnen und Juden in das Handeln des Staates mit dem Auftrag, auch ihnen den nötigen Schutz zu geben, damit sie ihre Freiheiten in einer offenen Gesellschaft leben können, wesentlich.

Einhellige Auffassung in der Diskussionsrunde war, dass Antisemitismus in allen Bereichen der Gesellschaft verankert sei und stattfinde. Da in vielen Mitgliedstaaten Antisemitismus nicht als Straftat normiert sei, habe die Kommission in ihrer Strategie die Ausarbeitung einer Methodologie für die Erfassung antisemitischer Straftaten und Vorfälle auf Grundlage der Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA, Internationale Allianz zum Holocaustgedenken) zum Ziel gemacht, so von Schnurbein. Leutheusser-Schnarrenberger unterstrich, dass wichtig zu wissen sei, ob eine politisch motivierte Straftat antisemitisch motiviert sei oder nicht. Denn schließlich könnten antisemitische Beweggründe eines Straftäters bei der Strafzumessung zu seinen Ungunsten berücksichtigt werden, wie § 46 des Strafgesetzbuches explizit vorsehe. Positiv hob von Schnurbein die in den deutschen Bundesländern existierenden RIAS Vereine (Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus) hervor, welche Meldungen über antisemitische Vorfälle aufnehmen und Betroffene von Antisemitismus unterstützen würden. Die Mitgliedstaaten bräuchten solche Brücken zwischen den Gemeinden und den Betroffenen einerseits und den Strafverfolgungsbehörden andererseits. 

Ferner beleuchtete die Expertenrunde die parallelen Medienwelten und Faktenlagen in unserer Gesellschaft und wie Aufklärungsarbeit geleistet werden könne. Als einen konkreten Ansatz nannte von Schnurbein die enge Zusammenarbeit mit Leitern von Religionsgemeinschaften und verwies auf die am 06.10.2023 von der Kommission veröffentlichte Mitteilung „Kein Platz für Hass in Europa“. Leutheusser-Schnarrenberger setzte auf die Unterstützung von Initiativen, die – online - Gegendarstellungen bieten und auf die Zusammenarbeit mit islamischen Verbänden, um den Austausch junger Menschen zu fördern. 

Anschließend lenkte Dr. Yaron die Aufmerksamkeit auf die israelischen Frauen und Mädchen, die sichtbar Opfer von sexualisierter Gewalt der Hamas geworden seien. Leutheusser-Schnarrenberger kritisierte das Schweigen des Frauenverbands der Vereinten Nationen, UN Women, und anderer Frauenrechtsorganisationen scharf. Nach ihr werde Israel aus Sicht der Frauenrechtsorganisationen als ein negativer Staat gesehen, sodass eine Solidarisierung mit den unterdrückten israelischen Frauen und Mädchen nicht stattfinde. 

Abschließend betonte von Schnurbein, dass für die Bekämpfung des Antisemitismus ein essentieller Fokus der EU auf der digitalen Welt liege. Der verabschiedete Digital Services Act (DSA) gebe den Online-Plattformen einen neuen Rahmen, um ihre gesellschaftliche Verantwortung zu definieren. Für die Eindämmung der rasanten Verbreitung antisemitischen Hasses und Fake News sei die konsequente Umsetzung des DSA der Schlüssel. Für Leutheusser-Schnarrenberger sei Priorität herauszufinden, wie das Lehrpersonal an Schulen in Nordrhein-Westfalen mit dem Thema „Antisemitismus“ im Unterricht umgehe. Für die Ausbildung zum Lehramt sei ihre Hauptforderung die Aufnahme eines verpflichtenden Kurses zu Antisemitismus.

Kontakt

Dr. Kristina Wojcik

kristina.wojcik[at]lv-eu.nrw.de (kristina[dot]wojcik[at]lv-eu[dot]nrw[dot]de)

Kurzwahl 871-737

 

Weiterführende Informationen:

Link zum Video der Veranstaltung:

https://www.youtube.com/watch?v=olzQkTW8Oio

Mitteilung der Kommission zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens (2021-2030) (COM(2021) 615):

https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/13068-Strategie-zur-Bekampfung-von-Antisemitismus-und-zur-Forderung-des-judischen-Lebens-in-der-EU_de

 

Definition von Antisemitismus der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken:

https://holocaustremembrance.com/resources/arbeitsdefinition-antisemitismus

RIAS NRW:

https://report-antisemitism.de/rias-nrw/

Pressemitteilung der Kommission „Kein Platz für Hass in Europa“:

https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_23_6329