
Minister Liminski reist in die Türkei
Stationen sind Ankara, Istanbul und das Erdbebengebiet an der türkisch-syrischen Grenze
Europaminister Nathanael Liminski ist am Mittwochabend, 23. April 2025, zu einer zweitägigen Reise in die Türkei aufgebrochen. Stationen sind die Hauptstadt Ankara, Istanbul sowie die Region um Gaziantep an der türkisch-syrischen Grenze, wo vor zwei Jahren ein verheerendes Erdbeben große Zerstörungen verursacht hat.
Minister Liminski: „Die Türkei ist für Nordrhein-Westfalen von besonderer Bedeutung – schon wegen der rund eine Million Menschen mit türkischen Wurzeln in unserem Land. Sie gehören zu Nordrhein-Westfalen und tragen seit Jahrzehnten zum wirtschaftlichen Erfolg und zur kulturellen Vielfalt an Rhein, Ruhr und Lippe bei. Zugleich sind die politischen Spannungen mit der Türkei in den vergangenen Jahren gewachsen. Die Türkei ist für Nordrhein-Westfalen, Deutschland und Europa kein einfacher Partner. Umso mehr braucht es den Willen, Differenzen nicht zu verschweigen, sondern offen und respektvoll anzusprechen. Die engen Verbindungen zwischen unserem Land und der Türkei bieten dafür eine tragfähige Grundlage. Ich nutze diese Reise sehr bewusst, um neben den Chancen und Potentialen auch kontroverse Themen zur Sprache zu bringen.“
Gespräche im Erdbebengebiet an der türkisch-syrischen Grenze
Die Reise des Ministers beginnt im Süden des Landes, nahe der syrischen Grenze. Am 6. Februar 2023 hatte dort ein schweres Erdbeben rund 60.000 Menschen das Leben gekostet und mehr als zwei Millionen Menschen über Nacht obdachlos gemacht – eine der schlimmsten Naturkatastrophen der vergangenen 100 Jahre. Besonders betroffen war die Region rund um die Großstadt Gaziantep. Minister Liminski besucht dort ein Camp für Erdbebenopfer und trifft sich mit Oberbürgermeisterin Fatma Sahin zum Austausch über die aktuelle Lage. „Wir trauern gemeinsam und wir packen gemeinsam an: die Wucht der Zerstörung 2023 war gewaltig. Aber die Welle Solidarität aus allen Teilen Nordrhein-Westfalens war umso riesiger“, erinnert sich der Minister.
Nordrhein-Westfalen leistete nicht nur logistische und organisatorische Unterstützung, sondern stellte auch finanzielle Soforthilfe bereit. So unterstützte die Landesregierung unmittelbar nach der Erdbebenkatastrophe Maßnahmen von „action medeor e. V.“ und „Help – Hilfe zur Selbsthilfe e. V.“ in der Türkei und Syrien. 2024 förderte die Landesregierung zudem ein Projekt zur Schulung psychologischer Fachkräfte im Erdbebengebiet im Umgang mit posttraumatischen Belastungen – mit dem Ziel, lokale Strukturen für psychosoziale Unterstützung zu stärken und ein nachhaltiges Netzwerk aufzubauen. Außerdem unterstützte die Landesregierung die Errichtung einer Kindertagesstätte in der vom Erdbeben besonders schwer getroffenen Stadt Hatay.
Ein weiteres Thema in Gaziantep ist die Lage im Nachbarland Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes. Minister Liminski wird sich mit deutschen, türkischen und syrischen Hilfsorganisationen austauschen: „Das 2016 beschlossene Abkommen der Europäischen Union mit der Türkei, in dessen Folge die Türkei über drei Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen hat, hat entscheidend dazu beigetragen, die irreguläre Migration wirksam einzuschränken und die Zahl der Toten in der Ägäis zu senken. Wir brauchen eine Erneuerung des EU-Türkei-Abkommens, um der aktuellen und absehbaren Lage gerecht werden. Das Abkommen kann und sollte zudem Vorbild für Kooperationen mit weiteren sicheren Drittstaaten sein. Uns eint das Ziel, syrischen Flüchtlingen – in Deutschland wie in der Türkei – eine humanitäre und geordnete Rückkehr in ihr Heimatland zu ermöglichen. Dafür braucht es politische Stabilität, wirtschaftliche Perspektiven und eine integrative Entwicklung, die alle Bevölkerungsgruppen einbezieht.“
Zeitenwende im Blick – Sicherheitspolitik in Istanbul
In Istanbul stehen Fragen der Sicherheit und Verteidigung im Fokus der Termine. Minister Liminski besucht das Unternehmen Baykar, bekannt für die Herstellung von Drohnen, und trifft Akif Çağatay Kılıç (AKP), Chefberater für Außen- und Sicherheitspolitik von Präsident Recep Tayyip Erdoğan. „Die Türkei braucht Europa – und Europa braucht die Türkei“, betont Minister Liminski. „Das gilt für die Begrenzung irregulärer Migration ebenso wie angesichts der Bedrohung durch Russland. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine richtet sich gegen die gesamte europäische Friedensordnung. Als NATO-Mitglied mit großem politischem und militärischem Gewicht sollte die Türkei eine konstruktive Rolle bei der Bewältigung dieser Herausforderungen übernehmen. Es ist wichtig, dass wir zu Themen wie Rechtsstaatlichkeit und Schutz von Menschenrechten im kritischen Dialog bleiben und zugleich unsere gemeinsamen Interessen stärker in den Vordergrund stellen und nach Lösungen suchen.“
Austausch mit Regierung und Opposition
Während seiner Reise wird der Minister Vertreter aus Regierung und Opposition treffen. Geplant ist unter anderem ein Treffen mit dem stellvertretenden Außenminister Mehmet Kemal Bozay (AKP). Gespräche über die Rolle der Opposition führt er mit dem CHP-Parteivorsitzenden Özgür Özel sowie mit Dilek İmamoğlu, der Ehefrau des kürzlich inhaftierten Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem İmamoğlu. „Als Mitglied des Europarats und EU-Beitrittskandidat hat sich die Türkei zur Achtung demokratischer Grundsätze verpflichtet. Dazu gehört auch, dass politischer Wettstreit nicht in Gefängnissen oder vor Gericht, sondern im fairen demokratischen Wettbewerb ausgetragen wird. Die Rechte demokratisch gewählter Volksvertreter müssen gewahrt bleiben“, betont Minister Liminski.
Enge Verbindungen zwischen Nordrhein-Westfalen und der Türkei
Türkische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger bilden mit rund 490.000 Personen die größte Gruppe der in Nordrhein-Westfalen lebenden Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Von den rund 1,5 Millionen Türkinnen und Türken in Deutschland lebt damit jede und jeder dritte in Nordrhein-Westfalen. Insgesamt leben rund 930.000 Menschen mit türkischem Migrationshintergrund an Rhein, Ruhr und Lippe. Sie werden durch vier Generalkonsulate (in Düsseldorf, Köln, Essen und Münster) sowie einen Honorarkonsul (in Aachen) betreut. Hinzu kommt ein dichtes Netzwerk aus 37 Städtepartnerschaften, 248 Hochschulkooperationen und 60 Schulkontakten, das die engen bilateralen Beziehungen unterstreicht.